Personal Health: Schritte zur individualisierten Gesundheitsversorgung (2024)

Personal Health: Schritte zur individualisierten Gesundheitsversorgung (1)Personal Health: Schritte zur individualisierten Gesundheitsversorgung (2)Eine personalisierte Medizin mittels innovativer Technologien wie etwa Telemonitoring ist bereits heute möglich. Was jedoch fehlt, sind Umsetzungsmöglichkeiten in der Fläche.

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Ein in das T-Shirt integriertes Messsystem überwacht die Atmung und übersteht auch die Wäsche. Foto: Fraunhofer-IIS

Ob bei der Fernüberwachung von Herzkranken, bei mobilen Gesundheitsbegleitern für Adipositaspatienten oder bei Assistenzsystemen für ein selbstbestimmtes Leben im Alter zu Hause (Ambient Assisted Living) – stets geht es um die Entwicklung von Technologien für eine individualisierte Medizin und daran geknüpfte Dienstleistungen. Inzwischen gibt es eine Vielzahl von Lösungen, doch deren Einführung in den Versorgungsalltag gestaltet sich häufig schwierig. „Es fehlt in Deutschland die konsequente Umsetzung durch die gesetzliche Krankenversicherung (GKV)“, kritisierte Hans-Peter Bursig, Geschäftsführer des Fachverbands Elektromedizinische Technik im ZVEI (Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e.V.). Telemonitoring sei noch immer auf Pilotverträge mit einzelnen Krankenkassen beschränkt. Der Einstieg in die zukunftsträchtige personalisierte Medizin scheitere an den heutigen Strukturen der GKV, sagte Bursig beim Wirtschaftssummit „P-Health“ in Berlin, einer Veranstaltung des Fraunhofer-Verbunds Informations- und Kommunikationstechnik und des ZVEI. Gründe dafür sind nach Meinung von Dr. Jürgen Heinzerling, Vorstandsmitglied des ZVEI-Fachverbands, vor allem folgende Problembereiche:

-die Produktzulassung, etwa im Hinblick auf Sicherheitsanforderungen und Leistungskriterien
-die Nutzenbewertung der Lösung (unter individuellen, gesundheitswirtschaftlichen und sozioökonomischen Aspekten)
-die Bedienbarkeit und Einsatzfähigkeit im praktischen Betrieb, beispielsweise in der Arztpraxis, im Pflegeheim oder im Krankenhaus
-der universelle Datenzugriff, der den Schutz vor Manipulation und Missbrauch erfordert.

Laut Heinzerling sind Personal-Health-Anwendungen technisch machbar und verfügbar und bieten eine Chance etwa im Rahmen von Assistenzsystemen für eine älter werdende Bevölkerung. „Eine intelligente Regulierung sollte flexible Rahmenbedingungen für die Entwicklung und den Einsatz innovativer Verfahren festlegen, damit diese ihren Nutzen für die Gesundheitsversorgung flächendeckend beweisen können“, forderte er.

Um medizintechnische Innovationen schneller als bisher zur Marktreife zu bringen und Erfahrungen, Probleme und Ideen auszutauschen, entstand Ende 2006 das Innovationscluster „Personal Health“. An dem Cluster, das vom Fraunhofer-Institut für integrierte Schaltungen (IIS) in Erlangen koordiniert wird, beteiligen sich unter anderem Mediziner, Techniker, Forschungsinstitute, Kostenträger, Entwickler der Medizintechnikindustrie und telemedizinische Dienstleister. Dabei handelt es sich nicht nur um eine Plattform für den regelmäßigen Gedankenaustausch, sondern zusätzlich hat man in den Räumen des Universitätsklinikums Erlangen ein medizintechnisches Test- und Anwendungszentrum eingerichtet, in dem Produkte frühzeitig auf ihre Praxistauglichkeit getestet werden können. „METEAN“, so der Name des Zentrums (www.metean.de), dient unter anderem dazu, medizinische Geräte im ambulanten und stationären Betrieb zum Beispiel hinsichtlich Ergonomie und Zuverlässigkeit zu prüfen und zu zertifizieren.

Ein aktuelles Beispiel dafür ist die Anwendungsstudie zu einem tragbaren Messsystem für das Telemonitoring von Hypertonikern. In das Gerät ist zusätzlich ein Bewegungsmonitor integriert, der die Aktivität des Patienten misst und so wichtige zusätzliche Daten für den Arzt bereitstellt, etwa ob eine Blutdruckmessung in einer Ruhephase oder nach dem Treppensteigen aufgenommen wurde. Die Daten werden per Handy oder PDA (Personal Digital Assistant) an den behandelnden Arzt übertragen. In der METEAN-Studie untersuchen die Forscher unter anderem, ob das Telemonitoring dazu beiträgt, die Therapie von Bluthochdruckpatienten zu verbessern.

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Der digitale Begleiter überwacht die Atmung und dient darüber hinaus als Navigationsgerät. Foto: Fraunhofer-ISST

„Bei Personal Health verlagert sich der Blick weg vom Leistungserbringer oder der medizinischen Einrichtung hin zum Patienten“, betonte Robert Couronné, vom Fraunhofer-IIS und Leiter des Innovationsclusters. Ein Beispiel dafür sei der „digitale Patientenbegleiter“. Die für mobile Endgeräte wie Handys und PDAs geeignete Anwendung wurde zunächst für Adipositaspatienten konzipiert und soll sie dabei unterstützen, Änderungen des Lebensstils und der Ernährungsgewohnheiten nach einer stationären Therapie im gewohnten Lebensumfeld beizubehalten. Sie enthält zum Beispiel auf den Diätplan des Patienten abgestimmte Rezepte, Bewegungspläne, Hintergrundinformationen sowie eine Tagebuchfunktion zur Dokumentation von Körperwerten wie Gewicht, Blutzucker und Blutdruck. Außerdem dient der Patientenbegleiter auch dem Austausch der Patienten untereinander und der unkomplizierten Kontaktaufnahme mit dem Arzt oder Therapeuten.

Inzwischen wurde die Lösung für Asthmatiker weiterentwickelt. Der Patient wird zum Beispiel per Handy an die Einnahme seiner Medikamente erinnert, er erhält Informationen zum Wetter und zum Pollenflug sowie zu allergieauslösenden Stoffen und kann in einem Peak-Flow-Tagebuch seine Lungenfunktionswerte dokumentieren und an seinen Arzt übermitteln.

Kombinieren lässt sich diese Anwendung noch mit einem speziellen T-Shirt, in das zickzackförmig über den Brust- und Bauchbereich laufende Sensoren integriert sind. Diese überwachen die Atemanstrengung und -frequenz, indem sie bei Dehnung ein elektrisches Signal abgeben. Die Rohdaten werden zu einem kleinen Modul geleitet, das sie aufnimmt, verarbeitet und die Informationen drahtlos per Zigbee oder Bluetooth zum Handy oder PDA übermittelt („RespiShirt“). Das Messsystem lässt sich zum Beispiel in der Schlafdiagnostik, bei der Fernbetreuung von Patienten oder im Sport einsetzen. So können Leistungssportler, aber auch interessierte Freizeitsportler damit beispielsweise ihre Lungenfunktion kontrollieren.

Echtzeit-Vitalmonitoring
Eine entsprechendes Monitoringsystem gibt es bereits seit einiger Zeit auch für Herz-Kreislauf-Patienten: Im Projekt „senSAVE“ (www.sensave.de), an dem fünf Fraunhofer-Institute beteiligt sind, wurde ein intelligentes, körpernahes Sensornetzwerk entwickelt, das mobiles Echtzeit-Vitalmonitoring ermöglicht. Um ein EKG mit hohem Tragekomfort und mit möglichst geringer Belastung für den Patienten ableiten zu können, wurde ein 3-Kanal-EKG-Sensormodul in ein T-Shirt integriert. Dazu hat man hautverträgliche hochflexible Trockenelektroden entwickelt. Die in die Fasern der Kleidung eingearbeiteten Elektrodenleitungen und die Kapselung der Elektronik verhindern einen ungewollten Kontakt zur Haut des Patienten. Bis auf den Akku kann die Elektronik während der Wäsche im T-Shirt verbleiben. Die Stromversorgung ermöglicht eine ununterbrochene Betriebsdauer von sieben Tagen.

Medikamentenspender

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Elektronische Medikamentenbox: Die Tabletten in den Fächern werden zur programmierten Zeit dispensiert. Foto: Fraunhofer-IGD

Eine fernüberwachte Dosierautomatik für Medikamente stellte Prof. Dr. med. Georgios Sakas vom Fraunhofer-Institut für graphische Datenverarbeitung (IGD) in Darmstadt vor. Das Erinnerungs- und Kontrollsystem für die Medikation bei Langzeittherapien sendet eine SMS an das Handy des Patienten, um ihn an die Einnahme eines Medikaments zu erinnern, und fordert ihn zusätzlich dazu auf, die Medikamenteneinnahme zu bestätigen. Die Zeitdauer zwischen den Nachrichten und die Zahl der Wiederholungen lässt sich dabei frei wählen, dies einerseits, um den Patienten nicht unnötig zu belästigen, andererseits jedoch, um je nach medizinischer Notwendigkeit gegebenenfalls eingreifen zu können, etwa wenn im Fall einer Zeitüberschreitung der Medikamenteneinnahme eine Verschlechterung des Gesundheitszustands droht.

Zusätzlich haben die Forscher des IGD eine funkgesteuerte Medikamentenbox entwickelt, mit der sich die exakte Dosierung und Einnahme des richtigen Präparats sicherstellen lässt. Die Box enthält abgetrennte Fächer, in denen jeweils die zu einem bestimmten Einnahmezeitpunkt verordneten Medikamente liegen. Ein Signal der Medikamentenbox erinnert den Patienten an die Einnahme seiner Pillen. Mit einem Knopfdruck am Gerät bestätigt er das Signal, was automatisiert per Mobilfunk an das System zurückgemeldet wird. Erst dann öffnet sich ein Medikamentenfach zur Tablettenentnahme. Sobald eine Einheit dieser Box nicht entnommen wurde, wird ein Erinnerungssignal abgesetzt. Ignoriert der Patient dieses Signal, geht eine Nachricht beispielsweise an ein medizinisches Zentrum oder den Arzt.Heike E. Krüger-Brand

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